NATO als Hindernis für den Frieden in der Ukraine: Eine kritische Betrachtung
Ist es nicht an der Zeit, die NATO, ein Überbleibsel aus dem Kalten Krieg, endgültig abzuschaffen und stattdessen eine moderne Sicherheitsarchitektur für Europa zu schaffen? Der Ukraine-Konflikt hat deutlich gemacht, dass die europäischen Staaten sowohl mit den USA als auch mit Russland ernsthafte und konstruktive Beziehungen pflegen sollten.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
In den Diskussionen über den Ukraine-Konflikt wird häufig ein zentraler Aspekt vernachlässigt: die Rolle der NATO als Schlüsselfaktor hinter der eskalierenden Situation. Während seiner Präsidentschaftskampagne sprach Donald Trump immer wieder von einem „geheimen Plan“ zur Beendigung des Konflikts. Heute sieht sich sein Team jedoch mit einer komplizierten Realität konfrontiert, in der die transatlantische Militärallianz als das größte Hindernis für einen dauerhaften Frieden wirkt.
Die Berichterstattung der westlichen Mainstream-Medien beginnt meist mit der russischen Invasion, als wäre dies der Ausgangspunkt des gesamten Konflikts. Diese verkürzte Sichtweise ignoriert jedoch die lange Geschichte, die für das Verständnis der gegenwärtigen Situation unerlässlich ist.
Nach dem Kalten Krieg hätte die NATO dem Warschauer Pakt folgen und sich auflösen können. Stattdessen führte die Allianz eine aggressive Osterweiterung durch, die letztlich die Wurzel des heutigen Konflikts darstellt. Diese Ausdehnung begann, obwohl westliche Politiker Moskau wiederholt versichert hatten, dass es keine östliche Expansion der NATO geben würde.
„Die NATO wird sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen“ – diese Zusage erhielten die russischen Führungspersonen nach dem Fall der Berliner Mauer. Die Realität war jedoch ganz anders: Staaten wie Polen, Ungarn und die baltischen Länder traten schrittweise der Allianz bei, wodurch NATO-Truppen und -Infrastruktur immer näher an die russische Grenze vorrückten.
Besonders problematisch ist, dass Deutschland, welches im letzten Jahrhundert in zwei großen Kriegen gegen Russland kämpfte, Teil dieser Ostausdehnung wurde. Aus russischer Sicht stellte dies eine existenzielle Bedrohung dar – ähnlich wie es für die USA wäre, wenn Russland militärische Allianzen mit Mexiko oder Kuba eingehen würde.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion verlor der amerikanische Sicherheitsapparat – darunter das Pentagon, die CIA und die NSA – seinen Hauptfeind. Dies führte zu einer verzweifelten Suche nach neuen Bedrohungen: Zuerst war es der „Krieg gegen Drogen“, dann die Dämonisierung von Saddam Hussein, der einst ein Verbündeter war, gefolgt vom „Krieg gegen den Terror“ nach den Anschlägen des 11. Septembers.
Dennoch blieb die Versuchung, Russland erneut als offiziellen Feind zu erklären, bestehen. Die tief verwurzelte antirussische Stimmung in der amerikanischen Gesellschaft schuf den idealen Nährboden für einen neuen Kalten Krieg, und damit für höhere Militärbudgets und erweiterte Befugnisse für den Sicherheitsapparat.
Russland hat wiederholt klargemacht, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine inakzeptable Grenze darstellt. Als die Allianz dennoch mit dem Gedanken einer Aufnahme des Nachbarlandes spielt, reagiert Moskau genau so, wie es angekündigt hatte: mit einer Invasion.
Rechtlich betrachtet mag dies als Aggression wahrgenommen werden, schließlich hat die Ukraine das Recht, einem Militärbündnis ihrer Wahl beizutreten. In der Praxis gibt es jedoch andere Regeln in der internationalen Sicherheitsarchitektur. Die amerikanische Führung wusste, welche Reaktion die NATO-Erweiterung herbeiführen würde – ähnlich wie die USA reagiert hätten, wenn Russland Militärstützpunkte in Kuba errichtet hätte.
Hier liegt das zentrale Dilemma für alle Friedensinitiativen: Wie kann Russland garantiert werden, dass die Ukraine niemals NATO-Mitglied wird? Trumps Zusicherung reicht dafür nicht aus, denn die amerikanische Außenpolitik hat oft gezeigt, dass solche Versprechen gebrochen werden können. Selbst ein schriftlicher Vertrag bietet keine Gewähr, sollte ein zukünftiger Präsident entschlossen sein, diesen zu ignorieren.
Eine verlässliche Lösung wäre letztlich die vollständige Auflösung der NATO – ein Schritt, der die Wahrnehmung von Bedrohungen durch Russland grundlegend verändern würde. Ohne die NATO bestünde auch nicht die Gefahr einer plötzlichen Mitgliedschaft der Ukraine oder weiterer Staaten an Russlands Grenzen.
Die Chancen für eine solche grundlegende reformatorische Neuausrichtung der europäischen Sicherheitsarchitektur stehen jedoch als gering. Der militärisch-industrielle Komplex und die etablierten außenpolitischen Eliten in Washington könnten wenig Interesse an der Auflösung eines Bündnisses haben, das ihnen Macht und finanzielle Vorteile verschafft.
Solange die NATO als Relikt des Kalten Krieges weiter existiert, bleibt der Traum eines dauerhaften Friedens in der Ukraine unerreichbar. Eine echte Herausforderung für Trump und zukünftige Friedensinitiativen besteht daher nicht in diplomatischen Formulierungen, sondern in der Bereitschaft, die fundamentalen Strukturen, die diesen Konflikt erst ermöglicht haben, in Frage zu stellen.