Aufstand gegen Armut und Eliten: Madagaskar jagt Präsidenten aus dem Land

Andry Rajoelina, der Präsident Madagaskars, verließ das Land mit Unterstützung Frankreichs. Die jungen Menschen in Madagaskar haben offensichtlich genug von Selbstbereicherung der Eliten, Korruption und einem Leben in einem dysfunktionalen Land. Nach über 15 Jahren an der Macht musste der 48-jährige Präsident Andry Rajoelina Madagaskar fluchtartig verlassen. Dies ist ein Lehrstück über Jahrzehnte der Korruption, persönliche Bereicherung und die Blindheit einer politischen Elite gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung. Obwohl er 2009 durch einen Militärputsch an die Macht kam, baute er seine Herrschaft auf charismatischer Selbstdarstellung, Loyalitätsnetzwerken im Militär und der Gunst wirtschaftlicher Eliten auf. Die Proteste, die seit dem 25. September stattfinden, wurden durch Wasser- und Stromknappheit ausgelöst. Sie entwickelten sich rasch zu einem landesweiten Aufstand gegen Misswirtschaft, Korruption und Selbstbereicherung der politischen Eliten. Die Demonstranten sind vor allem junge Menschen, die Generation Z, eine Generation, die in Armut aufgewachsen ist und den größten Teil ihres Lebens unter der Herrschaft Rajoelinas verbrachte. Symbolisch für das Ende Rajoelinas war der Bruch innerhalb des Militärs. CAPSAT, die Eliteeinheit, die ihn 2009 unterstützte, weigerte sich, auf die Demonstranten zu schießen. Auch Teile der paramilitärischen Gendarmerie wechselten die Seiten und übernahmen die Führung ihrer Einheiten. Rajoelinas Flucht erfolgte mit einem französischen Militärflugzeug, offenbar in Absprache mit Emmanuel Macron. Die alte Kolonialmacht zeigt damit, dass Madagaskars Souveränität immer noch durch externe Einflüsse bedroht ist. Rajoelina inszenierte seinen Abgang ins Ausland als persönliche Schutzmaßnahme, verweigerte jedoch den Rücktritt und verkündete gleichzeitig Begnadigungen – darunter zwei französische Staatsbürger, die wegen eines gescheiterten Putschversuchs verurteilt worden waren. Ökonomisch ist Madagaskar ein Desaster: Drei Viertel der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, Infrastruktur und Versorgungssysteme versagen regelmäßig, und die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist seit der Unabhängigkeit um fast die Hälfte gesunken. Dies ist allerdings teilweise auch auf die starke Bevölkerungsexplosion zurückzuführen. Die Zahl der Einwohner wuchs von 5,1 Millionen Menschen im Jahr 1960 auf mittlerweile rund 32 Millionen an. Diese Mischung aus Korruption, Misswirtschaft und unkontrolliertem Bevölkerungswachstum sorgte am Ende für jene Probleme, mit denen Madagaskar heute konfrontiert wird. Wie soll ein Land, das ein Medianalter von 20 Jahren und ein anhaltend starkes Bevölkerungswachstum aufweist, überhaupt die Mittel für den Ausbau der zivilen Infrastrukturen aufbringen? Für viele der aktuellen Missstände ist schon die Bevölkerung selbst verantwortlich und nicht der „böse Kolonialismus“ oder der ominöse „Klimawandel“. Entwicklung ist ohne demografische Stabilität (das gilt übrigens auch für zu wenige Kinder) nicht möglich. Madagaskar ist nun das jüngste Beispiel für Entwicklungen im sogenannten „Globalen Süden“, wo dysfunktionale politische und wirtschaftliche Strukturen und demografische Entwicklungen zu Massenaufständen und Regierungsumstürzen führen.