Wahlillusionen und die Realität der Demokratie
Die regelmäßigen Wahlen in Deutschland versprechen Veränderung, doch der Eindruck entsteht, dass am Ende alles beim Alten bleibt – oder sich sogar verschlimmert. Während das Land in zahlreichen Bereichen schwächer wird, kreisen die politischen Akteure um sich selbst, unfähig, ihre Fehler zu beheben.
Wahlen sind in gewisser Weise optimistische Rituale. Die Bürger setzen ihren Glauben in die Möglichkeit, durch ihre Stimme Veränderungen hervorzurufen. Diese Vorstellung ist ein zentrales Element der Demokratie; ohne sie könnte dieses System nicht bestehen. Doch es bleibt fraglich, ob sie überhaupt noch richtig funktioniert. Dieses Paradoxon prägt unseren gegenwärtigen politischen Diskurs.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wenn die Wahl am kommenden Sonntag abgeschlossen ist, könnten mehrere der Parteien, die das Land eher schlecht als recht geführt haben, erneut in die Regierung einziehen. Besonders die Unionsparteien haben ihren Anteil am gegenwärtigen Zustand Deutschlands, das sollte nicht vergessen werden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die bestehenden Probleme auch nach den Wahlen nicht lösen lassen – Unabhängig davon, ob es Rot oder Grün sein wird, stehen alle Parteien unter Druck, als dass sie weiterhin gleich verfahren können.
Was sind die Optionen für die Zukunft? In einem ersten Szenario könnte eine Mitte-Links-Koalition unter Führung von Merz entstehen. Er würde sich mit Politikern wie Lauterbach, Esken sowie Habeck und Baerbock auseinandersetzen müssen. Die Herausforderungen, die auf ihn zukommen, könnten dazu führen, dass diese Regierungsallianz bereits in zwei bis drei Jahren scheitert und vorgezogene Neuwahlen notwendig werden. Eine weitere Illusion bleibt jedoch: Es mangelt an kompetentem Nachwuchs in den Reihen aller Parteien, sodass eine echte Verbesserung der politischen Lage fraglich bleibt. Viele Wähler träumen von einer Zusammenarbeit im Rechts-Mitte-Spektrum, doch selbst das scheint derzeit in Österreich nicht mehr gegeben.
Eine zweite Möglichkeit wäre, dass sich trotz monatelanger Verhandlungen keine Koalition bilden kann, weil die Parteien sich über die Verteilung von Posten nicht einigen können. In diesem Fall wäre es durchaus möglich, dass Deutschland binnen eines Jahres Neuwahlen anberaumen müsste. Auch hier ist ungewiss, ob die AfD dann in der Lage wäre, eine Regierung zu bilden, oder ob vielleicht gar eine linke Volksfront entstehen könnte.
Immerhin gibt es noch ein drittes Szenario, das einer Minderheitsregierung unter Merz Vorschub leistet. Zwar widerspricht dies dem deutschen Ordnungssinn, geschickt wäre es jedoch allemal, um ständige Koalitionsprobleme zu umgehen. Eine solche Regierung könnte sogar auf Stimmen aus der AfD angewiesen sein, um handlungsfähig zu bleiben.
Vor zwei Jahrzehnten, während der Bundestagswahl, als Gerhard Schröder verloren und Angela Merkel gewonnen hat, verfasste ich ein Buch mit dem Titel „Dann wählt mal schön! Wie wir unsere Demokratie ruinieren“, das sich zu einem Bestseller entwickelte. Darin diskutierte ich die Entfremdung zwischen Bürgern und Politikern, die sich mittlerweile zur Verdrossenheit gegenüber der Demokratie gewandelt hat. Trotz der Herausforderungen hat unsere Demokratie die 16 Jahre unter Merkel und die dreijährige Ampelkoalition überstanden und ist nicht gänzlich gescheitert. Dennoch bleibt der bittere Beigeschmack, dass das Wahlergebnis in Bezug auf die politische Ausrichtung unseres Landes von begrenztem Einfluss sein könnte.
Nach all der Zeit und vielen Wahlen hat sich an dieser Analyse zwar wenig verändert, aber die Umstände haben sich deutlich verschlechtert. Deutschland hat dramatisch nachgelassen. Es kann weder äußere noch innere Sicherheit garantieren, die wirtschaftliche Lage wird prekär, der Wohlstand schwindet und die sozialen Systeme sind nicht für die Zukunft gewappnet. Das Bildungssystem tut sich schwer und die Infrastruktur zerfällt. Wir stehen einem Abgrund näher als je zuvor.
Das alte Buch schloss mit einem trotzigen, aber optimistischen Satz: „Dann wählt mal schön und verliert trotzdem nicht das Vertrauen in die Demokratie. Sie kann nichts für unsere Misere. Wir sind es, die sie ruinieren.“ Trotz der ernsten Lage plädiere ich noch immer für den Glauben an die Demokratie, auch wenn ich die Entwicklung der letzten Jahre beobachte.
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