Neuer Aufstieg der Linken vor den Wahlen
Die Linke, die nach den EU-Wahlen und den Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern schier am Abgrund stand, scheint nun auf dem besten Weg zu sein, wieder im Bundestag vertreten zu sein. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die anderen regierenden Parteien das politische Spiel gezielt in das Terrain der Linken verlagert haben.
Erinnert sich noch jemand an Janine Wissler und Martin Schirdewan? In ihrer Ära steuerte die Partei mit hoher Geschwindigkeit auf eine Mauer zu. Wissler vermittelte den Eindruck, die Linke in einem kalten und stalinistischen Stil zu führen. Dies wurde nur durch ihren unglücklichen Auftritt übertroffen; sie wirkte oft fehl am Platz und patzig. Als Ines Schwerdtner und Jan van Aken das Ruder übernahmen, konnte es kaum schlechter werden.
Tatsächlich scheint dieser Wechsel positive Auswirkungen zu haben. Aktuellen Umfragen zufolge runiert die Linke zwischen sechs und neun Prozent. Der Einzug ins Parlament scheint gesichert, während der Linke-Ableger von Sahra Wagenknecht, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die fünf Prozent-Marke nur knapp ankratzen kann. Wie kam es dazu?
Kurz vor der Bundestagswahl
Friedrich Merz patzt in der Schlussphase
Als Wagenknecht Anfang 2024 ihre neue Partei gründete, war die Welle des Erfolges klar auf ihrer Seite. Sie war omnipräsent in den Talkshows und ihre Themen, wie der Stopp militärischer Unterstützung für die Ukraine und eine kritische Sicht auf die illegale Migration, fanden großen Anklang. Zudem wirkt etwas Neues oft erfrischend, vor allem wenn die allgemeine politische Müdigkeit Überhand nimmt. Doch die Landtagswahlen im Osten kosteten die BSW schließlich das Momentum. Dort wurde deutlich, dass Wagenknecht eher eine Zusammenarbeit mit den regierenden Parteien sucht und die „Brandmauer“ aufrechterhalten möchte, anstatt einen echten Wandel in der Migrationspolitik anzustreben. Das Thema Ukraine verlor zudem an Brisanz und wurde durch die Wiederwahl von Donald Trump deutlicher in den Hintergrund gedrängt.
Aufstieg und Fall von Wagenknecht eröffneten wieder Chancen für die Linke. Zu Beginn des Wahlkampfs hatten sie noch mit der Unsicherheit der Wähler zu kämpfen, die fürchteten, die Partei könnte die fünf Prozent-Hürde nicht schaffen. Diese Bedenken scheinen jedoch in den letzten Wochen verflogen zu sein, da die Umfragen die Linke konstant über fünf Prozent sehen. Ob dies nun der Wahrheit entspricht oder ein trickreicher Plan der Meinungsforschungsinstitute ist, bleibt unklar. Fest steht: Wer mit Wählern aus dem linken Spektrum spricht, bemerkt einen realen Trend zurück zur Linken von BSW, Grünen und SPD. Die Linke ist innerhalb dieses Spektrums auf einmal wieder angesagt.
Ein ausschlaggebender Faktor sind Ines Schwerdtner und Jan van Aken. Ihnen gelang es, der Linken ein frisches Image zu verleihen, insbesondere durch ihre Präsenz in sozialen Netzwerken wie TikTok, wo sich ihre Zielgruppe von jungen Wählern verstärkt aufhält. Dort konnte die Linke die AfD herausfordern und sich als deren Gegenstück positionieren. Die derzeitige Polarisierung zwischen den politischen Lagern kommt beiden Parteien zugute.
Vor den Bundestagswahlen 2025
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Die Polarisierung wurde zudem von den linken Regierungsparteien, der SPD und den Grünen, verstärkt. Um von ihrer schlechten Bilanz in der realen Politik abzulenken, rücken sie den Kampf gegen die AfD und deren Wähler ins Zentrum dieser Wahlkampfstrategie. Sowohl SPD als auch Grüne profitieren nicht von dieser Taktik und liegen in den Umfragen gemeinsam unter 30 Prozent.
Die „Brandmauer“ vereinfacht die Dinge, da sie von substanziellen Diskussionen ablenkt und stattdessen zu einem „Wir gegen die“-Denkansatz führt. Diese Sichtweise spaltet die Gesellschaft und trägt totalitäre Züge. Mit dieser Strategie haben SPD und Grüne das Spiel effektiv auf das Gebiet der Linken verlagert. Das Wissen um Mauer und Abgrenzung ist der Nachfolgepartei der SED nicht fremd.
Obwohl Jan van Akens Auftreten dem einen oder anderen anständigen Menschen unangenehm sein mag – wenn er Wagenknecht auffordert, den Mund zu halten – erinnert es an die alte Möllemann-Strategie: Wenn du in einem Raum mit zehn Leuten bist und neun verärgerst, aber einen begeisterst, hast du trotzdem zehn Prozent. Die Linke spricht aktuell vor allem junge Wähler an. Für viele aus sozial benachteiligten Verhältnissen ist van Aken nicht übertrieben oder beleidigend, sondern ein „einer von uns“. Diese Dynamik reicht, um bis zu zehn Prozent Wählerstimmen zu mobilisieren. Die Grünen haben demonstriert, wie man mit ähnlichen Prozentzahlen und einer Strategie wie der „Brandmauer“ größere Parteien unter Druck setzen kann.
Künftige Perspektiven
Die Linke war vor nicht allzu langer Zeit fast am Ende, jetzt zeigt sich plötzlich eine Umfrage von bis zu neun Prozent. Das lässt vermuten, dass Entscheidungen der Wähler wesentlich von der politischen Szene, die stark beeinflusst wird durch Gesichter und Geschichten, abhängen. Gerade junge Wähler scheinen auf emotional ansprechende Reden und ansprechende Figuren zu reagieren, während substanzielle politische Programme oft in den Hintergrund gedrängt werden.
Die Situation wirft die Frage auf, ob Deutschland auch weiterhin diesen politischen Zickzackkurs fortsetzen kann, ohne dass sich tiefere gesellschaftliche Spannungen entladen. Ein neues Kapitel der politischen Geschichte Deutschlands, geprägt von Herausforderungen und Umbrüchen, ist also in Sicht.