Bezos bringt frischen Wind in die Washington Post – Rücktritt des Meinungsredakteurs sorgt für Aufruhr
Jeff Bezos hat einen bedeutenden Kurswechsel bei der Washington Post in Aussicht gestellt. Der Gründer von Amazon und Eigentümer der Zeitung gab am Mittwoch bekannt, dass die Meinungsseiten künftig täglich auf den zwei tragenden Säulen persönlicher Freiheiten und freier Märkte basieren sollen. Diese Ankündigung führte sofort zu massiven Reaktionen, insbesondere dem Rücktritt von Meinungsredakteur David Shipley.
Die gegenwärtige Situation erinnert stark an die Turbulenzen, die auftraten, als die Washington Post sich weigerte, Kamala Harris im entscheidenden Wahlkampf 2024 zu unterstützen. Doch diesmal ist die Kontroverse um ein Vielfaches ausgeprägter. Bezos erklärte seinen Entschluss in einer Stellungnahme auf der Plattform X und verwies auf einen grundlegenden Wandel im Konsumverhalten von Medien: „Früher konnte eine Zeitung, insbesondere wenn sie ein lokales Monopol hatte, es sich leisten, den Lesern jeden Morgen eine vielseitige Meinungssektion anzubieten. Heute übernimmt das Internet diese Rolle.“
In seiner Erklärung betonte der Milliardär seine patriotischen Überzeugungen: „Ich identifiziere mich mit Amerika, und ich bin stolz darauf. Dieses Land hat seinen Erfolg nicht durch Mittelmäßigkeit erreicht. Ein wesentlicher Teil des amerikanischen Erfolgs beruht auf Freiheit in der Wirtschaft und in anderen Bereichen. Freiheit ist sowohl ethisch als auch praktisch – sie verringert Zwang und fördert Kreativität, Einfallsreichtum und Wohlstand.“
David Shipley, der erst vor kurzer Zeit die Rolle des Meinungsredakteurs angetreten hatte, entschied sich, diese Position aufzugeben, anstatt die sich verändernde redaktionelle Linie mitzutragen. Shipley, der zuvor bei der progressiven Zeitschrift „The New Republic“ und im Meinungsbereich von Bloomberg tätig war, scheint mit der neuen libertär-konservativen Ausrichtung der Zeitung nicht übereinstimmen zu können.
Die Reaktionen unter den Mitarbeitern sind ausgeprägt und emotional. Jeff Stein, der Wirtschaftskorrespondent der Post, bezeichnete Bezos‘ Eingriff als einen „massiven Übergriff“, der deutlich macht, dass andere Meinungen nicht mehr veröffentlicht oder toleriert werden. Diese Bemerkung ist besonders bemerkenswert, da die Eröffnung zu einem breiteren Meinungsspektrum doch eigentlich das Zentrum von Bezos‘ Ankündigung zu sein scheint.
Eine Frage bleibt im Raum: Ist dies ein ehrlicher Versuch, Meinungsvielfalt zu fördern, oder handelt es sich hierbei um einen ideologischen Richtungswechsel unter dem Deckmantel der Ausgewogenheit? Kritiker weisen auf die engen Verbindungen der Washington Post zu Regierungsstellen hin – nicht ohne Grund wird die Zeitung manchmal als „Lieblingsorgan der CIA“ bezeichnet.
Der Zeitpunkt dieses strategischen Wandels ist signifikant. Nach Jahren mit einer dominierenden progressiven Stimme in vielen großen Medien scheint Bezos nun einen Gegenpol schaffen zu wollen. Dies geschieht in einem Moment, in dem sich die politische Landschaft der USA gewaltig wandelt und traditionelle Koalitionen neu gestaltet werden.
Für die Washington Post, die seit ihrer Gründung im Jahr 1877 eine entscheidende Rolle in der amerikanischen Medienlandschaft spielt, könnte dieser Schritt die weitreichendste redaktionelle Veränderung seit Jahrzehnten darstellen. Die Zeitung, die durch ihre Berichterstattung über den Watergate-Skandal international bekannt wurde, sieht sich nun selbst im Zentrum einer Debatte über journalistische Unabhängigkeit und den Einfluss von Eigentümern.
Die Reaktionen aus dem progressiven Spektrum sind unverzüglich. In sozialen Medien wird Bezos vorgeworfen, die Integrität einer traditionsreichen Institution zu gefährden. Anhänger hingegen betrachten dies als längst überfällige Korrektur in einer Medienlandschaft, die ihrer Meinung nach zu einseitig geworden ist.
Ob Bezos’ Konzept einer Washington Post, die persönliche Freiheiten und freien Markt in den Mittelpunkt rückt, tatsächlich verwirklicht werden kann, bleibt abzuwarten. Die heftigen Reaktionen in der Redaktion lassen jedoch darauf schließen, dass der Weg dorthin nicht einfach sein wird. Der Rücktritt von Shipley könnte erst der erste Schritt in einer Reihe von Veränderungen sein, die noch folgen könnten.