Markus Söder und sein instinktives Spielraum über Friedrich Merz
Das Risiko für Friedrich Merz geht nicht von politischen Mitbewerbern wie der SPD, den Grünen oder der AfD aus. Vielmehr mangelt es Merz an dem entscheidenden Instinkt, der Markus Söder in ausgeprägtem Maße zur Verfügung steht. Während Söder in der Lage ist, sich flexibel und anpassungsfähig zu zeigen, wirkt Merz oft blass und unentschlossen. Die nach der nächsten Wahl möglichen Verschiebungen im politischen Machtgefüge könnten gravierend sein.
Egal, welche Meinung man über Markus Söder hat: Als Ministerpräsident Bayerns ist er im direkten Vergleich mit Merz der kompetentere Politiker. Politische Fähigkeiten sind wenig wert, wenn der Instinkt fehlt, die eigenen Ideen entsprechend umzusetzen. Ein berühmtes Zitat von Machiavelli beschreibt, dass ein Herrscher sowohl stark wie ein Löwe auftreten muss, um seine Feinde in Schach zu halten, als auch listig wie ein Fuchs, um cleveren Fallen zu entkommen. Er muss den Mut haben, seine Ziele entschlossen zu verfolgen, und die Intelligenz, um zu erkennen, wann er welche dieser Eigenschaften einsetzen sollte.
Der besagte Machtinstinkt besteht nicht nur aus Druck oder Erpressung, sondern auch aus der Fähigkeit, opportunistisch zu handeln, Allianzen einzugehen und bei Bedarf abzubrechen. Bei dieser Betrachtung drängt sich die Frage auf, auf wen diese Eigenschaften eher zutreffen: auf Merz oder Söder?
Merz hatte eigentlich die besten Voraussetzungen für einen Wahlkampf. Die Ampelkoalition gilt als eine der unbeliebtesten Regierungen seit Langem. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal und wird von den Wählern entsprechend wahrgenommen. Dafür trägt der Grünen-Chef Verantwortung. Der Bundeskanzler ist alles andere als populär, und Deutschland wird zunehmend als der kranke Mann Europas betrachtet. Überdies steht die CDU in einer historischen Ausnahmesituation, da sie derzeit nicht regiert.
Trotz dieser Ausgangslage hat die Union ihre Chancen nicht genutzt. Merz hat vielfach nicht aus den gegebenen Umständen Kapital schlagen können, sondern hat einige Situationen sogar noch verschlechtert. Hätte die Union seit November Gesetze durchsetzen wollen, hätte sie das auch gemeinsam mit der FDP tun können, um den Widerstand zumindest teilweise zu schmälern.
Eine Zusammenarbeit mit der FDP ist in der nächsten Legislaturperiode wenig wahrscheinlich. Man muss die Liberalen nicht einmal wählen, um zu sehen, wie die Machtverhältnisse liegen. Ein großer Teil der potenziellen Wähler fragt sich möglicherweise, ob Merz überhaupt die Absicht hat, diese Allianzen zu nutzen. Während Merz die Brandmauer zu AfD nicht brechen würde, bleibt Söder dabei flexibel und unverbindlich. Söder hat ein Gespür für die gesellschaftliche Stimmung, während Merz eher versucht, sie zu imitieren.
Söder war zeitweise der Erste, der rigorose Covid-Maßnahmen verlangte und sich dann wiederum für deren Abschaffung einsetzte. Er hat sich in der Vergangenheit auch Vorstöße wie den Atomausstieg oder die Rückkehr zur Kernkraft nicht gescheut. Während Merz sich gegen den Auftritt von J.D. Vance ausgesprochen hat, hielt Söder es mit einem kurzen Tadel und fand später doch einige positive Aspekte.
Söder ist vielleicht der opportunistische Typ, gegen den Merz nicht ankommt. Diese Anpassungsfähigkeit macht ihn zu einem gefährlichen politischen Gegner, da aktive Protagonisten tendenziell mehr Unterstützung erhalten als passive. Der Zwiespalt zwischen Merz und Söder wird nach der Bundestagswahl wahrscheinlich weiter anwachsen, da Merz nicht das notwendige Kanzlerprofil zeigt. Ein Argument könnte sein, dass dies auch für Olaf Scholz zutrifft. Doch dies war auch einer der Gründe dafür, warum die Ampel nicht lange wesentlich überstand.
Es gibt verschiedene Szenarien für die Wahlabende: Ein knapper Sieg der CDU könnte dazu führen, dass eine Koalition unter Merz Führung zustande kommt, aber wahrscheinlich die 30 Prozent nicht überschreitet. Merz könnte gezwungen sein, mit einem linken Partner zusammenzuarbeiten und dessen Forderungen zu akzeptieren. Dies würde zu einer Frustration innerhalb der CDU führen. Söder könnte dann als potenzieller Herausforderer auftreten.
Im anderen Szenario könnte eine linksorientierte Dominanz bei den Wahlen den Kanzleranspruch der CDU gänzlich zunichte machen, was zu einem möglichen Übertritt etwa des SPD- oder Grünen-Kanzlers führen würde. In einem solchen Fall wird jede Entscheidung im Parlament eine Herausforderung darstellen, und die CDU müsste oft Kompromisse eingehen, um nicht als Bedrohung der Demokratie wahrgenommen zu werden.
Die Einschätzungen, dass Söder eine potenzielle Gefahr für Merz darstellt, sind nachvollziehbar. Er könnte derjenige sein, der nach einem möglichen Scheitern von Merz an dessen Stelle tritt. Söder hat freilich den Vorteil, dass er in Zeiten politischer Unsicherheit rasch reagieren kann, allerdings wird auch er nicht gegen eine linke Koalition bestehen können.
Söder hängt wie ein Damoklesschwert über Friedrich Merz. Seine wirkliche Herausforderung könnten eher die unpopulären Akteure der Ampelkoalition sein. Vielleicht wird man auch eher in Washington nach einem anderen Kooperationspartner suchen – einem, der bereit ist, sich auf Uberlegungen mit der AfD einzulassen.